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Rezension : Claudia und Nadja Beinert "Revolution im Herzen – Die heimliche Liebe des Karl Marx"

Claudia und Nadja Beinert bei der Vorstellung des Buches auf der diesjährigen Buchmesse in Leipzig Claudia und Nadja Beinert bei der Vorstellung des Buches auf der diesjährigen Buchmesse in Leipzig (c) HP KB

Im 200. Geburtsjahr von Karl Marx legen die Autorinnen einen Roman vor, der eine sehr private Sicht auf das Leben der Familie Marx, zu der untrennbar das Dienstmädchen Lenchen Demut, die spätere Freundin der Ehefrau, die über alles geliebte Bezugsperson der Kinder und letztendlich die Geliebte von Karl Marx gehört.

Es ist die Zeit des Übergangs von der Agrar- zur Industriegesellschaft, die enorme technische und gesellschaftliche Umwälzungen mit sich bringt. Marx und Engels erarbeiten bedeutende gesellschaftspolitische Dokumente, so das Manifest der Kommunistischen Partei, ein rhetorisches Meisterwerk – alles unter den schwierigsten Bedingungen, Armut, ständige Existenzängste und politische Rückschläge lassen die Familie Marx oftmals verzweifeln.

In dieser Zeit der Anspannung war es Lenchen Demut, die Marx und Engels die nötige Ruhe zur Arbeit verschaffte, auch hin und wieder „taktvollen Rat in Parteisachen“ beisteuerte (Engels) Sie war die „ordnende“ Hand im Haushalt, welche die Übersicht in dem oft chaotischen Leben der Familie Marx behielt.

Diese komplexe, berührende Sicht, einerseits die gesellschaftliche Entwicklung, eingeschlossen die Suche nach den Zusammenhängen im politischen Geschehen und der Arbeit an den Manuskripten, andererseits die verzweifelte finanzielle Lage der Familie und die unverzichtbare stützende Hand des Dienstmädchens so treffend und überzeugend darzustellen, ist den Autorinnen sehr gut gelungen.

Diese Liaison zwischen Marx und Lenchen überhaupt so nachzuvollziehen, die Entwicklung dieser Beziehung über das Schachspiel  und Gespräche in einem langen Zeitraum darzustellen, ist in der Literatur kaum nachlesbar. Sicher sind die Ursachen dafür darin zu finden, das Stalin 1934 diese Tatsache als „ Geheimdokument“ der Forschung entziehen ließ. So etwas passte nicht zu einem politischen Vorbild.

Die Autorinnen stellen die Entwicklung der Helene Demut von der Analphabetin hin zur Rat gebenden Kommunistin erlebbar und überzeugend dar, sie liest die Manuskripte, steuert Erfahrungen aus der eigenen Biographie bei und bringt sich so unbewusst in das Gedankengut von Marx und Engels ein. Sie verfolgt viele politische Debatten mit Weggefährten von Marx im Hause Marx, sie lebt in einer „Revolutionärs - Familie“ und identifiziert sich mit den Ansichten.

Eine Schlüsselposition bei der Entwicklung von Helene hat das Schachspiel gespielt. Die Anfänge lernte sie vom Vater. Jahrelang konnte sie nur „Gedankenschach“ spielen, dann wird sie zur gleichwertigen Schachpartnerin von Marx. Durch das Schachspiel kommt es zu Gesprächen und dann auch zu intimen Beziehungen. Es ist interessant zu lesen, wie sich das Verhältnis zu Marx von totaler Ablehnung bis hin zu einer Verliebtheit gestaltet, die sogar ihre Freundschaft zu Jenny nicht verhindern kann.

Karl ist von der aktuellen Situation in der Familie, den ständigen Umzügen und der oft aussichtslosen beruflichen Situation überfordert. Er sagt zu Lenchen „ alle zerren an mir, nur du nicht“. Daher wohl auch der Titel des Buches „Revolution im Herzen“.

Der Leser leidet mit Lenchen, versteht sie im gewissen Grade und kann den Entschluss der Familie, trotz aller Widrigkeiten zusammen zu bleiben, akzeptieren. Lenchen ist es auch, die ihm im Tode due Hand hält, obwohl er nach dem „einmaligen Ausrutscher“, wie er es vor seiner Frau  rechtfertigte, konsequent zu Jenny hielt.

 Dass Engels den Sohn von Lenchen und Marx wegen gesellschaftlichen Konventionen als eigenen Sohn anerkannte ist nicht belegt.

Das Buch legt man nicht aus der Hand, bevor man es beendet hat, so mitreißend und einfühlsam ist es geschrieben. Es relativiert die Sicht auf einen „unfehlbaren“ deutschen Philosophen und bringt in den Menschen näher. Es gefällt das Personenverzeichnis und das weiterführende Nachwort.

Eine akribische Aufarbeitung, deren Ergebnis sich sehen lassen kann !!!

 

„ Revolution im Herzen – Die heimliche Liebe des Karl Marx“

Claudia und Nadja Beinert

Knaur Verlag 2018

ISBN: 978-3-426-65433-0

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